Vielleicht kein Beweis, aber doch ein starkes Indiz: Die Vorstellung, ordentliche Regierungsarbeit würde von den Wählern honoriert, ist wohl falsch. Denn auch die CDU verliert ein paar Prozentpunkte, zwar nicht so viele wie die SPD, aber auch sie verliert Zustimmung.
Erstaunlich finde ich auch das Ergebnis der Wahl für die Grünen: Nicht ihr Ergebnis mit über 20% der Stimmen, sondern vor allem die 36% der Erstwähler, die den Grünen ihre Stimme gegeben haben. Dies bedeutet für mich, dass die Grünen mit ihrem Thema Umweltschutz bei den jungen Leuten heute gut ankommen.
Aber was bedeutet dieses Wahlergebnis für die SPD, welche Schlussfolgerungen sollte sie meiner Meinung nach daraus ziehen?
– Ein Verbleiben in der Koalition mit der CDU sichert zwar den Bundestagsabgeordneten der SPD bis zur nächsten planmäßigen Bundestagswahl ihr Mandat und, was man auch nicht vergessen darf, ihr Einkommen. Aber danach wird es wahrscheinlich weniger als halb so viele Bundestagsmandate für die SPD geben und damit werden wohl viele SPD-Abgeordnete sich einen neuen Job suchen müssen. Bei einer vorzeitigen Auflösung der Koalition würde wohl als Konsequenz die Bundestagswahl vorgezogen, denn es ist kaum anzunehmen, dass die CDU eine neue Koalition mit erstarkten Grünen und einer noch immer unwilligen FDP hinbekommen würde. Denn beide, die Grünen und die FDP können darauf hoffen, bei einer neuen Bundestagswahl mehr Stimmen als beim letzten Mal zu bekommen. Und dann käme der Jobwechsel für die SPD-Bundestagsabgeordneten noch früher.
-Der SPD fehlt eine Leitgestalt wie es früher einmal Willy Brandt war oder Helmut Schmidt. Auch Gerhard Schröder war zu seiner Zeit als Bundeskanzler eine solche Person. Am ehesten noch könnte ich mir hier den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert vorstellen, der scheinbar noch nicht so vom Politik-Alltag geformt ist wie die anderen Vorstandsmitglieder der SPD.
-Der SPD fehlt auch eine mitreißende Zukunftsvision. Den Umweltschutz haben schon die Grünen für sich als Thema reklamiert, beim Thema Sicherheit trauen die Menschen wohl mehr den Law-und-Order-Politikern der CDU Kompetenz zu und wenn es um Freiheitsrechte geht, will die FDP ganz vorne stehen. Und wer protestieren will gegen „Die Mächtigen“, wird AfD wählen. Das entschiedene „Sowohl-als-Auch“ kann die Kanzlerin Merkel einfach besser. Und eine Partei, die von allem ein wenig anbietet, braucht man dann einfach nicht. Wenn schon nicht Zukunftsvision, dann sollte sich die SPD vielleicht eher den Interessen der jungen Menschen zuwenden. Mit jungen Menschen meine ich sowohl die Kinder und Jugendlichen wie auch die Erwachsenen bis zum Alter von 35 Jahren. Was ist hier noch zu regeln beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wie werden unsere Kinder unterrichtet, in welchen Schulen? Welche sinnvollen und interessanten Freizeit-Angebote gibt es für Jugendliche? Fällt den Verantwortlichen in der Politik noch etwas anderes ein als ein Skaterpark? Was ist mit Ausbildung und Berufsanfang? Warum müssen junge Menschen es heute hinnehmen, dass ihnen unbezahlte Praktika angeboten werden und sie nach Ende ihrer Ausbildung erst einmal nur befristete Anstellungen bekommen. Was ist mit der Solidarität zwischen den Generationen? Darf es den Alten dieser Gesellschaft gut gehen wenn die jungen sich dafür krummlegen müssen? Und vor allem: Welche Welt wollen wir an unsere Kinder übergeben?
Bin mal gespannt, ob die SPD die Kurve noch kriegt oder ob sie irgendwann abgewickelt wird. Das fände ich zwar schade, denn ich halte viel von den sozialdemokratischen Grundsätzen, aber im Augenblick sehe ich nicht, wie es für die Partei wieder bessere Wahlergebnisse geben könnte.